Patchwork ist doof.

Und echt schwierig. Vielleicht nicht für jeden, aber bestimmt für die meisten. Und gleichzeitig gibt es so viele bunte Familienkonstellationen. Sie sind eine Chance.

In meinem Umfeld erlebe ich einige gepatchte Familien, die sich alle – mehr oder weniger – schwertun. Du kennst bestimmt auch solche Konstrukte.

Expartner reden nicht mehr miteinander. Expartner benutzen die Kinder als Druckmittel. Expartner nehmen sich finanziell aus. Expartner finden nach vielen Jahren keinen Frieden mit der Trennung.

Meine eigene Patchworksituation hat sich über die Zeit entspannt. In den letzten 10 Jahren sind allerdings reichlich Tränen geflossen und Kämpfe ausgefochten worden.

Vielleicht kann ich dir mit meinen Erfahrungen und Tipps ein paar schmerzvolle Momente ersparen.

Fangen wir mal bei der kleinsten Einheit an: der Einzelne. Jeder ist in seinem Leben irgendwie verhunzt worden. Auch du! Selbstwert, Bindung und Vertrauen – wer erreicht da schon die volle Punktzahl?

Du läufst mit deinem Rucksack voller Komplexe durchs Leben und triffst irgendwann jemanden, in den du dich verliebst. Challenge accepted.

„Trägst du meinen Rucksack oder kann ich vielleicht deinen nehmen?“ So fangen viele Beziehungen an.

Du erwartest etwas vom anderen. 

Der Partner macht dein ganzes eigenes Glück aus. Über den Partner definieren wir uns. Jetzt wird endlich alles gut.

Mein Wunsch war viele Jahre, dass jemand meinen Lebensrucksack leichter macht. Oder Sachen hineintut, die ich vergessen habe einzupacken.

Dafür eignet sich eine Patchworkfamilie super. Nicht. Ich bin ziemlich naiv hinein gesprungen in die Beziehung mit einem Mann und zwei Bonuskindern.

Kennst du das? Als Stiefmutter fühlte ich mich oft wie ein Linksabbieger: alle anderen haben Vorfahrt. Rücksicht, Nachsicht, Zuversicht – ich habe eher im Nebel gesessen.

Und dabei war ich so bedürftig nach Aufmerksamkeit, Liebe und Zuspruch. Alles Dinge von außen, die doch bitte jemand in meinen Rucksack packen sollte.

Gleichzeitig hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil doch die Kinder an erster Stelle stehen sollten. Nicht meine Bedürfnisse. Das war ein ganz schönes Gezerre: Rücksicht vs. Bedürfnis.

Ich habe mich oft selbst wie ein Kind gefühlt (und verhalten), hätte am liebsten aufgestampft und gesagt „Ich will aber!“.

Du bist deiner Vergangenheit nicht ausgeliefert.

Als Einzelkind musste ich nicht teilen. Als Schlüsselkind war ich viel alleine. Das sind Prägungen, die ich erst verstehen und einen guten Umgang damit finden musste.

Und sie dürfen nicht als Ausrede dienen. Du hast dein Leben heute in der Hand. Du bist deiner Vergangenheit nicht ausgeliefert. Ich habe für die Reife meiner Persönlichkeit etwas länger gebraucht. Nur wer seinen Selbstwert spürt, kann reif sein.

Und respektvoll. Respekt zu haben vor allen Beteiligten, heißt sie so zu lassen, wie sie sind. Das ist im Patchwork eine besondere Herausforderung.

Schließlich musst du dich mit Menschen auseinandersetzen, die du dir nicht unmittelbar ausgesucht hast. Es ist ein weiter Weg.

Eine Frage, die ich sehr hilfreich finde ist: Wie würde es mir an seiner/ihrer Stelle gehen? Würde ich mich nicht ähnlich verhalten? Was würde ich mir wünschen?

Einen Schritt zurückzutreten, statt den Gegenüber nach meinen Vorstellungen verändern zu wollen. Manipuliere die anderen nicht zu deinem Zweck. Oder noch schlimmer: instrumentalisiere die Kinder nicht für deine Gefühle.

Das Leben besteht aus Phasen.

In der frühen Phase meines Patchwork bin ich einigen Menschen wenig reif und respektvoll begegnet.

Ich habe mir meine Fauxpas verziehen und blicke heute nach vorne. Wir können Vergangenes nicht ändern, aber wir können es in Zukunft besser machen.

Was hilft? Viele Dinge nehme ich heute nicht mehr persönlich. Ich muss niemanden von mir überzeugen.

Und: Ich kümmere mich selbst um meinen Rucksack. Welch Revolution!

Ich danke meinen beiden Bonuskindern für ihre Geduld. Mit mir. Mit uns Erwachsenen.

Oft tragen die Kinder die Erwachsenen durch diese schwierigen Phasen. Das ist nicht ihre Aufgabe, nicht in ihrer Verantwortung. Sie sind weder Botschafter noch Vermittler.

Ich wünsche jedem Patchworkkind, dass seine Erwachsenen möglichst schnell an den Punkt von Reife und Respekt kommen.

In erster Linie tun die Großen sich und ihrem Lebensglück damit einen riesen Gefallen. Setzt euch zusammen und redet miteinander. Eine Seite mit vielen guten Tipps ist der Blog Patchwork auf Augenhöhe.

Das Patchwork war nicht schuld an meinen Gefühlen. Wenn ich gegangen wäre, hätte ich meinen Rucksack mitgenommen – in jede andere Beziehung.

Am Ende hat sich gelohnt. Jeder Konflikt, den wir bewältigt haben, hat die Beziehung gestärkt. Wir haben nicht aufgegeben.

Sollte mein Patchwork eines Tages zerbrechen, nehme ich etwas Unbezahlbares mit:

Ich bin gewachsen.

Wie ist deine Entwicklung in einer gepatchten Familie gelaufen? Erzähl mir gerne davon.

Und jetzt Vorhang auf für dein Leben!